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  • lazaruspi

Ist Fantasy rassistisch?

Natürlich gibt es auf diese Frage keine kurze Antwort. Zu mannigfaltig ist das Genre – selbst wenn man sich zu einem pauschalen „Ja“ oder „Nein“ durchringt, mag es immer Ausnahmen geben. Ein paar grundsätzliche Betrachtungen seien dennoch erlaubt.


Hier weiß man doch sofort, wer gut und wer böse ist - oder!?!?

Der Verdacht wiegt schwer: Da gibt es selbst im BeFWaZ, dem Berühmtesten Fantasy-Werk aller Zeiten, verschiedene Rassen menschenähnlicher Wesen, die ihre rassetypischen Charakterzüge aufweisen und sich normalerweise untereinander besser nicht vermischen sollten. Manchmal tun sie es aber doch, und da das offenbar zumindest sexuell und fortpflanzungstechnisch gut funktioniert – Elrond, Herr von Bruchtal, ist ein bekanntes Beispiel für so einen Mischling –, müssen wir sie wohl tatsächlich als Rassen bezeichnen, nicht als eigene Species oder Gattung. Wessen Hautfarbe vom kaukasischen Phänotyp abweicht, der findet sich meist auf Seiten der Bösen wieder.


Je heller, desto gut – das ist eine rassistische Ästhetik, die es auch im wirklichen Leben allzu oft gibt. In Indien etwa gilt eine helle Haut als schön: fair skin. Bei Tolkien wiederum pflegen die Elben ihren Alabaster-Teint, der zumindest für bestimmte Gruppen unter ihnen mit ebendiesem Wort „fair“ umschrieben wird, während die Orks mit ihrer undefinierbaren Hautfarbe vorliebnehmen müssen.


Ist „Der Herr der Ringe“ also rassistisch? Tolkien war ein Bewunderer des heroischen Germanentums, und obwohl ich keine Quelle dafür parat habe, meine ich mich zu erinnern, dass er mal sinngemäß gesagt hat, was der Hitler am meisten übelnehme, sei, dass er alles, was jemals groß und erhaben war am Germanischen, für immer verdorben habe. Der Vorwurf ließe sich also gegebenenfalls sogar biographisch begründen.


Aber gibt es nicht auch Gegenbeispiele? Rassismus lebt ja gerade von der Zuschreibung bestimmter Eigenschaften an diese Rassen. Und eine Moral, die ich vom „Herrn der Ringe“ mitnehme, ist die: dass niemand schicksalhaft an den Zufall seiner Geburt gebunden bleibt! Ein Elb und ein Zwerg schließen eine unsterbliche Freundschaft. Vier Hobbits verhalten sich so, wie ihnen niemand jemals zugetraut hätte. Gute, tapfere Wesen erliegen der Versuchung des Bösen. Sogar eine Spinne weigert sich, eine Spinne zu sein, und schafft sich einen Stachel an, auf den ihre realen Artgenossen seit Jahrmillionen vergeblich warten… okay, das Letzte war ein kleiner Seitenhieb auf Tolkiens arachnologische Anatomiekenntnisse. Ich gebe zu, es ist inkonsequent von mir, mich über einen Stachel in der Schilderung einer Spinne zu amüsieren, aber nichts dabei zu finden, dass sie mindestens zwei Meter groß ist und mit Vorliebe Humanoide verspeist, was auf ihre wirklich existierenden Vettern und Basen wohl nicht wesentlich häufiger zutrifft als der Stachel.


Zurück zum Thema. Wir sehen, „Der Herr der Ringe“ ist voll von Ausbrüchen aus dem vermeintlichen Schicksal. Der kleine, unbedeutende, gemütliche Hobbit aus dem Teletubby-Auenland ist am Ende der, ohne den Mittelerde wohl für immer dem Bösen anheimgefallen wäre. Diese Art von Selbstbestimmung, die Entscheidungsfreiheit über den eigenen Lebensweg, ist für mich das Gegenteil von Rassismus: Es ist eben nicht die Herkunft, die über mich bestimmt!


Das Schönheitsideal der fair skin jedoch kriegen wir aus Mittelerde meines Erachtens tatsächlich schwer raus. Hier haben wir wohl tatsächlich einen rassistischen Aspekt, den man in künftigen Verfilmungen durchaus korrigieren könnte, so wie ja auch heute zahlreiche Rollen, die ursprünglich weiß gedacht waren, mit Schwarzen Schauspieler*innen besetzt werden. Denn natürlich sind auch zahlreiche Nicht-Fantasy-Romane und -Filme in diesem Sinne rassistisch. Ich finde das keinen Grund, sie alle für immer ganz und gar abzulehnen, wohl aber einen, solche Dinge in Zukunft anders zu handhaben. In meiner Welt Gaia treten z.B. die unterschiedlichsten Hautfarben und Helligkeitsabstufungen auf, und zwar querbeet bei Held*innen und Schurk*innen. Auch gibt es keine Wesenheiten, die „von Natur aus“ böse sind. Das war mein bescheidener Versuch, solchen Stereotypen entgegenzuwirken.

Was man Tolkien außerdem noch vorwerfen kann, ist, dass bei ihm zwar die Guten den Sprung ins Böse des Öfteren vollführen, aber auf das umgekehrte Beispiel wartet man vergebens. Die Orks oder der Balrog erfüllen das Klischee-Soll ihrer jeweiligen Gruppe im Übermaß. Aber selbst wenn man das dann doch als orkfeindlich und in diesem Sinne rassistisch anklagen will, gilt diese Anklage doch – siehe Überschrift – nicht für die Fantasy als Ganzes! Hier finden wir jede Menge Böse, die zum Guten bekehrt werden. Beispiel? Die gute alte Godzilla-Reihe!


Außerdem sollte man nicht vergessen, dass die Serie „Lucifer“ zwar oft von wohlmeinenden Christ*innen verdammt wird, tatsächlich aber als rotesten aller Roten Fäden die Frage thematisiert, ob und unter welchen Umständen ein armes Sünderlein die Möglichkeit hat, „gut“ zu werden. Das ist die Frage, die z.B. Charlotte Richards in ihren letzten Monaten umtreibt – und es ist dieselbe Frage, die Lucifer immer wieder schlaflose Nächte bereitet: Wie zur Hölle kann er seiner Teufelsrolle entkommen und ein hinreichend ethisch korrektes Wesen werden, dass „der Detective“ endlich keine Angst mehr vor ihm haben muss!? Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass die Serie nicht nur keine antichristliche, sondern eine ganz und gar christliche Grundaussage transportiert: Jeder kann und sollte versuchen, ein guter Mensch (oder eben ein guter Engel oder ein guter Höllenfürst) zu werden. Vor Gott sind wir alle gleich! Und alle mit einer diesbezüglichen Entscheidungsfreiheit gesegnet. Wenn das nicht christlich ist – was dann!?


Aber ich mag die Serie trotzdem ;-)


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